Allgemeines
In einer Zeit, als die Dunkle Mutter voller Zorn und Bitterkeit in die Klüfte des Chaos fiel, gebar ihr Wille ein Gefäß, das ihren Liebreiz und ihre Schönheit bewahren solle, bis sie wiedergeboren werde. Rheadar, in sich alle Schönheit und Liebe der Mutter tragend, entsprang dem göttlichen Schoß Theremahs.
Die junge Göttin, vom Rausch der Macht erfüllt, wollte alle Wesen an der Liebe der Mutter teilhaben lassen, denn aus nichts anderem bestand ihr ganzes Selbst. Ein jeder soll sie in sich spüren, nach ihr gieren und nicht mehr ohne sie sein wollen. Liebe ist Macht und Rheadar hatte genug davon in sich. Nicht nur die Göttin selbst, nein, auch einander sollen sich die Sterblichen begehren, stets auf der Suche nach dem Hauch des Göttlichen in sich selbst. Im Rausch werden sie ihr Glück suchen und stets nach mehr streben, denn kein Sterblicher ist in der Lage, jene göttliche Kraft lange zu halten.
Die Gabe, Leben zu schenken, erbte sie als einzige von Theremahs Kindern von ihr und sie schenkt gerne neues Leben, denn jeder neue Sterbliche kann aufs Neue all die Freuden erfahren, die die Welt ihm zu bieten hat.
Der Glaube
Liebe, Schönheit und Rausch, all das ist Rheadar. Der Rausch des Weines, die Freude beim Tanzen, die Erfüllung beim Liebesspiel, all dies ist Teil des göttlichen Hauches, den Rheadar den Sterblichen gebracht hat. Doch stumpf und schal wird jede Freude, wenn sie oft genug erfahren wird. Ein stetes Streben nach Neuem ist den Sterblichen gegeben und jenes Streben ist die Aufgabe eines Gläubigen. Das Leben soll erfüllt sein von Rausch, Freude und der Gier nach mehr. Es gibt kein Maß, keine Grenze, die nicht auf der Suche nach mehr Freude überschritten werden darf. Erfüllung im Rausch zu finden ist das Ziel.
Wer den göttlichen Hauch einmal erfahren hat, wird für immer danach lechzen. Wehe dem, der einem Rheadargläubigen sein Objekt der Begierde zu entreißen versucht. So sprunghaft die Interessen des Gläubigen für seine Art der Erfüllung sein können, so eifersüchtig bewahrt er sie in Zeiten des Hochgefühles der Freude. Eifersucht und Liebe gehen Hand in Hand auf dem Pfad zur eigenen Erfüllung in den Freuden Rheadars. In steter Versuchung stärkt die Eifersucht den Willen des Gläubigen, offenbart ihm die Leidenschaft, die in ihm wohnt, für das, was er liebt. Doch hüten sollte er sich davor, sich nur von der Eifersucht leiten zu lassen. In blinder Wut greift sie einem Feuer gleich um sich und verzehrt alles, wenn ihr kein Einhalt durch die Selbstbeherrschung geboten wird. Es ist ein gefährliches Spiel auf das sich Gläubige Rheadars willentlich einlassen, doch bringt das Risiko auch den Reiz daran mit sich.
Ein weiterer Aspekt des Glaubens ist Rheadar als Göttin des Lebens. Die Gabe, Leben zu schaffen gab sie den Sterblichen Wesen und erschuf Bedingungen, um ihnen die Last der freien Erschaffung abzunehmen. So führt bei den meisten sterblichen Wesen nur die rauschhafte Verbindung von Mann und Frau zu neuem Leben. Meist mit großem Schmerz verbunden, lässt diese Gabe die Sterblichen erkennen, welche Macht ihnen gegeben wurde, denn göttliche Macht einzusetzen ist für Sterbliche immer schmerzhaft. Im Tode verlässt der Sterbliche Rheadars Einfluss und geht über zu ihrer Mutter Theremah. Freude und Lust schwindet, denn sie werden im Reiche Theremahs zu unnötigen Schatten.
Die Kirche der Rheadar
Aufgaben Das Hauptanliegen der Rheadarkirche in Khazûl'Mar ist dem Volk Möglichkeiten zu bieten, den göttlichen Rausch zu erfahren. Das Ausrichten von Festen, Einsegnen von Orten der Freude, wie Schänken und Bordellen, und das Unterrichten der Gläubigen in neuen Möglichkeiten der Rauscherlebung gehören zu den Tätigkeiten der Priesterschaft. Die Gläubigen treten mit ihren geheimsten Gelüsten an die Priester heran und diese helfen ihnen zu verstehen, was sie begehren. Aufgrund der Vielfalt der Möglichkeiten, den göttlichen Rausch zu erfahren, bedient sich die Rheadarkirche sehr oft Laien, die von einem speziellen Gebiet der Freude mehr verstehen, als die Priester selbst. So sind Schankwirte, Giftmischer, Bader und Huren gern und oft gesehene Gäste in den Tempeln der Göttin. Einhergehend mit dem Streben nach immer neuen Wegen, die Göttin zu erfahren, forscht die Rheadarkirche unablässig und inbrünstig nach neuen Möglichkeiten der Freude. So werden einige Priester zu wahren Experten auf speziellen Gebieten.
Die Priesterschaft Klangvolle Titel für die einzelnen Priester gibt es fast so viele, wie es Priester gibt. Einem jeden steht es frei in seinem Titel eine Bezeichnung für seine Art des Rausches zu nennen, was zu solch bemerkenswerten Namen wie „Askaliana, Hüterin der Geheimnisse der rauschhaften Selbstaufgabe an die dunklen Gelüste der Rheadar“ führen kann.
Doch im Grund gibt es nur zwei Arten von Geweihten: Die Suchenden: Einfache Priester, die sich noch keinem Weg der Erfüllung geöffnet haben und ihre Möglichkeiten der Freude noch ausloten. Viele Suchende ziehen von Ort zu Ort, versuchen, den Menschen die Göttin näher zu bringen und damit auch die eigene Aufgabe im Leben zu erkennen. Gekleidet sind sie in Gewänder, die anderen Freude bereiten oder ihnen selbst auf dem Pfad der Erkenntnis helfen, zumeist in den Farben des schweren darkischen Weines und der Weinranke. Um das Suchen nach Erkenntnis zu verdeutlichen, wird ein durchsichtiger Schleier über den Augen getragen, der nur zum Göttinnendienst abgenommen wird. Wein spielt eine solch große Rolle, dass Priester stets etwas davon mitführen, versetzt mit verschiedenen Rauschmitteln, die unnötige Hemmungen schnell schwinden lassen. Schmuck wird ebenfalls oft getragen, allerdings nur den von Gläubigen geschenkten, da er Liebe und Begehren ausdrückt. Die Bringer der Extase: Die Hohepriester der Rheadar haben ihre Art der Erfüllung gefunden und sich einer bestimmten Art der Freude verpflichtet, um sie den Gläubigen zu bringen. Sie führen große Festsegnungen durch und stehen den Tempeln vor. Ihre Kleidung fällt aufgrund ihres Status meist weitaus reicher aus als die der normalen Priesterschaft. Da sie ihre Erkenntnis gefunden haben, wird kein Schleier mehr getragen. Es ist nicht unüblich, dass Hohepriester sich einer neuen Art der Erfüllung zuwenden, wenn ihnen die bisherige schal und langweilig erscheint. Sie treten damit wieder in den Status der Suchenden ein. Ein Priester der Rheadar durchlebt diesen Wechsel mehrmals im Leben. So wechselhaft und flüchtig die Freude ist, so ist auch die Aufmerksamkeit der Göttin selbst schnelllebig und leicht abzulenken. Ein Hohepriester kann an einem Tag in voller Gunst der Göttin stehen und sich wahrhaft Auserwählter nennen, doch schwindet diese Gunst schnell. Aus diesem Grunde gibt es in der Rheadarkirche keinen obersten Geweihten, wie es in anderen Kirchen des Reiches üblich ist.
Tempel und Schreine
Einen kleinen Rheadarschrein findet man in fast jedem Gasthaus, jeder Schänke und jedem Bordell in Khazûl'Mar. Die Einnahmen werden verwendet, um Feste auszurichten oder dem armen Gläubigen eine kleine Freude zu bezahlen. Wirkliche Tempel finden sich weitaus weniger in Khazûl'Mar, die meisten davon in Darkes. Ein einheitliches Aussehen ist nicht zu erkennen, da die Baumeister zuweilen unter starkem Alkoholkonsum und Rauschmittelgebrauch die Pläne entworfen haben und somit recht abenteuerliche Konstruktionen herauskamen. Bestimmte Gemeinsamkeiten haben sie allerdings: Ein Tempel der Rheadar besteht aus dem Hauptraum, „Halle der Freuden“ genannt, und mehreren daran angeschlossenen, kleineren Räumen, genannt „Gemächer der Extasen“. Tücher, Düfte und Klangspiele geben den Tempeln stets etwas Fremdartiges, der Welt Entrücktes und verwirren Sinn und Verstand der Gläubigen.
Riten
Allgemein haben die Rituale zu Ehren Rheadars ausgelassene Feierlichkeiten als Grundlage. Seien es opulente Festbankette, hemmungslose Besäufnisse oder rauschhafte Liebesorgien, immer wird versucht, dem Gläubigen die Macht Rheadars am eigenen Leibe zu zeigen. Diese in großem Rahmen veranstalteten Feste sind die gebräuchlichste Art der Huldigung. Beispiele dafür sind die Folgenden.
Fest des Göttinnenblutes Am Tag des Abschlusses der Weinernte in Khazûl'Mar wird ein Fest zu Ehren der Göttin gegeben, bei dem man den Wein einsegnet und sich hemmungslos den Freuden des Lebens hingibt. Wo in den meisten Teilen des Reiches einfach nur ein fröhliches Fest mit viel Wein und Musik gefeiert wird, nimmt jene Feierlichkeit in Darkes andere Züge an: In jeder größeren Stadt wird ein gewaltiger Bottich aufgebaut und mit Trauben gefüllt. Danach steigt zunächst die Rheadarpriesterschaft in den Bottich und segnet die Feierlichkeit. Hiernach beginnt die zumeist schon stark berauschte Bevölkerung, sich die Kleider vom Leibe zu reißen und sich in den Bottich zu stürzen, um die Trauben auszupressen. Die Hemmungslosigkeit und der Einfallsreichtum bei der Entwicklung neuer Möglichkeiten, auf möglichst provokante Art Trauben zwischen mehreren Körpern zu entsaften, ist wahrhaft rauschhaft. Darum herum wird gefeiert und Musik gespielt und die Leute im Bottich angefeuert und zu immer neuen Höchstleistungen getrieben. Das Pressen geht über mehrere Stunden und endet mit der völligen Erschöpfung der Teilnehmer. Manch einer kam bei dieser orgiastischen Entsaftung schon ums Leben, doch ist er wahrhaft im Dienste der Göttin gestorben. Der größte Bottich steht in Soron und soll bis zu 500 Sterblichen Platz für die Lustbarkeiten des Traubenauspressens bieten.
Ritus der Einführung So ein Knabe oder Mädchen die körperliche Reife erlangt (bei Menschen ist dies im fünfzehnten Lebensjahr üblich), werden sie in den Rheadartempel gebracht, auf dass sie von den Priestern eine Hilfestellung bei der Selbstfindung im Gewirr der von Rheadar dargebotenen Freuden bekommen. Der Ritus beginnt mit der Waschung und Reinigung des einzuführenden Gläubigen. Danach wird er durch einen Priester über vielerlei Arten der Rauscherlebung belehrt und in deren Praktiken eingewiesen. Der Gläubige erlebt Weinrausch, Visionen durch Kräuter und verschiedenste Methoden des Liebesspiels in den Tagen seiner Einführung, um ihn auf die nun vor ihm stehende Suche nach der eigenen Erfüllung das nötige Handwerkszeug mitzugeben. Das Lernen nimmt mehrere Tage und Nächte in Anspruch und endet mit der Nacht der Erfüllung. In der letzten Nacht wird der durch das Gelernte meist völlig verwirrte Gläubige vor den Altar der Rheadar geführt und es wird ihm dort das Blut der Göttin zu trinken gegeben. Daraufhin versinkt der Gläubige in einen rauschhaften Traum, der ihm hilft, das Erlebte zu verstehen und die Ekstase zu einem Teil von sich werden zu lassen. Manch ein Gläubiger geriet derart in Verzückung, dass er sogleich in die Arme Theremahs überging auf dem Höhepunkt seines Rausches. Diese Gnade wird allerdings nur Wenigen zu Teil. Die höchste eigene Erfüllung schon bei der Einführung zu erleben, bleibt nur den wahrhaft Göttergesegneten vorbehalten, deren Namen in Erfurcht in Andenken gehalten werden. Es ist sehr unüblich, Bürger Khazûl'Mars vor ihrem Ritus der Einführung an Praktiken der Lustbarkeit der Rheadar teilhaben zu lassen, da weder ihr Körper reif dazu, noch ihr Verstand offen genug dafür ist. Man würde ein Gefäß für Rheadars Freuden vor der Zeit in seiner Unvoreingenommenheit zerstören, was einen Götterfrevel bedeutet und entsprechend geahndet wird. Die Rheadarkirche wacht (so Einfluss und Präsenz unter der Bevölkerung dazu ausreichen) eifersüchtig über das Privileg des ersten Kontakts in Rheadars Sinne.